Zugegeben, die Überschrift ist nicht gerade einladend für einen Beitrag in einem Reiseblog. Aber ich denke, wenn wir über nachhaltiges Reisen und ganzheitliches Leben im Einklang mit der Umwelt vor Ort reden, dann kommen wir an diesen Themen nicht vorbei. Eine neue Auswertung hat gezeigt, dass die Kanarischen Inseln die schlechteste Lebensqualität in ganz Spanien haben, obwohl es als touristisches Paradies gilt. Oder vielleicht gerade deswegen?

Für zahlreiche Reiselustige gilt das Inselarchipel der Kanaren als ein Fleckchen Erde, das einen Traumurlaub verspricht. Hier kann man dem frostigen Klima Mitteleuropas den Rücken zeigen und sich kurzzeitig oder dauerhaft unter der spanischen Sonne auf Inseln wie Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa oder einer der anderen idyllischen Inseln niederzulassen. Auch meine Wenigkeit landet immer wieder gern, wie aktuell in Corralejo, Fuerteventura in der südlichsten Ecke Europas.

Aber was halten eigentlich die Einwohner, die schon ihren Alltag auf den Kanaren oder anderswo in Spanien gestalten, von ihrem vermeintlich paradiesischem Wohnort?

Mit genau dieser Frage hat sich das „Instituto Nacional de Estadística“ (INE), also die Statistische Behörde Spaniens auseinandergesetzt und am 31. Oktober 2023 den „Mehrdimensionalen Lebensqualitätsindex“ (Indicador Multidimensional de Calidad de Vida, IMCV) für das Jahr 2022 veröffentlicht.

Das erstaunliche Resultat: Im spanienweiten Vergleich hinken die Kanaren, was die Lebensqualität betrifft, hinter Regionen wie Andalusien und Galicien hinterher und finden sich auf dem letzten Rang wieder. Die Spitzenreiter in puncto Lebensstandard sind laut INE Navarra, La Rioja und Aragón.

Immerhin: Seit 2013 konnte Spanien eine kontinuierliche Steigerung der Lebensqualität verzeichnen, die 2019 ihren Zenit erreichte. Seither erlebt das Land allerdings einen Abwärtstrend diesbezüglich.

Berechnung des „Mehrdimensionalen Lebensqualitätsindex“

Der Index der Lebensqualität berücksichtigt neun verschiedene Facetten des Lebens:

  1. Materieller Lebensstandard (Condiciones materiales de vida)
  2. Arbeitsleben (Trabajo)
  3. Bildungswesen (Educación)
  4. Gesundheitszustand (Salud)
  5. Freizeitgestaltung und soziales Miteinander (Ocio y relaciones sociales)
  6. Körperliche und persönliche Sicherheit (Seguridad física y personal)
  7. Staatsführung und fundamentale Rechte (Gobernanza y derechos básicos)
  8. Natürliche und räumliche Umgebung (Entorno y medioambiente)
  9. Allgemeine Lebenserfahrung (Experiencia general de la vida)

Zur Berechnung werden 55 verschiedene Indikatoren aus den oben genannten Bereichen herangezogen. Die Daten für diese Indikatoren werden aus vielfältigen Quellen bezogen und repräsentieren die Lebensumstände der Gesamtbevölkerung in Spanien.

Laut INE hat sich die Lebensqualität in Spanien im Jahr 2022 insgesamt leicht verringert. Manche Aspekte wie die Staatsführung und fundamentale Rechte, die allgemeine Lebenserfahrung, Freizeit und soziale Interaktionen, die physische und persönliche Sicherheit sowie die natürliche und räumliche Umgebung haben im Vergleich zum Vorjahr Einbußen verzeichnet.

Andere Bereiche wie das Arbeitsleben, das Gesundheitswesen, das Bildungssystem und der materielle Lebensstandard konnten Verbesserungen erzielen.

Lebensqualität auf den Kanarischen Inseln – was heißt das jetzt?

Bevor du jetzt deine vielleicht geplante Reise auf eine Kanarische Insel überdenkst, dann kommt hier eine Entwarnung: Die Bewertung der Lebensqualität bezieht sich auf die einheimische Bevölkerung. Tatsächlich fährt die kanarische Regierung seit Jahren und Jahrzehnten einen sehr pro-touristischen Kurs – leider zum Leidwesen der Menschen vor Ort. Die Umdeklarierung von Bebauungsflächen zugunsten touristischer Projekte, steigende Touristenzahlen, bei gleichbleibendem vergleichsweise eher niedrigem Gesundheitsstandard und steigende Mietpreise lassen die Locals mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Entwicklung des Tourismus ihrer Inseln blicken.

Einerseits bringt der Tourismus den Bewohner:innen Arbeit, wenngleich die mangelnde Vielfältigkeit an Arbeitsmöglichkeiten zu einer hohen Jugendarbeitslosigkeit führt. Ein Grund ist auch, dass im Tourismus viele Saisonarbeiter:innen aus dem Ausland angeworben werden, um Tourist:innen in ihrer Landessprache zu bedienen. Der hohe Anteil an Ferienvermietungen treibt zudem den Mietspiegel in attraktiven Ecken wie Großstädten oder anderen beliebten Regionen in die Höhe.

Was können wir Reisende tun, damit sich die Lebensqualität auf den kanarischen Inseln verbessert?

Eine grundlegende Verbesserung kann nur durch den politischen Willen der kanarischen Regierung erwirkt werden und liegt nicht im Einflussbereich eines einzelnen Touristen. Eine nachhaltige Bebauung, die die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung berücksichtigt, sowie eine Limitierung des Tourismus sind derzeit im Gespräch.

Was jede:r Einzelne von uns tun kann? Misch dich unter die Locals, wohne in Gegenden, die noch nicht vom Tourismus eingenommen wurden. Kurz: Lass dein Geld auf den Inseln und gebe es nicht zwingend in einer großen Hotelanlage aus, bei denen das meiste Geld die Insel wieder verlässt – bis auf die örtlichen Abgaben. Gehe bei dem Gemüsehändler ums Eck einkaufen, statt im großen Supermarkt, gehe in Restaurants und gib Trinkgeld und stattdessen mal nicht zum Hotelbuffet, das je nach Preisklasse doch ohnehin immer gleich ist.

Wir alle können die Welt und die Lebensqualität vor Ort ein wenig besser machen, auch wenn vieles nicht in unserem Einflussbereich liegt.

Wohin geht deine nächste Reise?