Einmal noch nach Venedig, bevor es die Stadt nicht mehr gibt? Oder einen Gletscher besteigen, bevor er weggeschmolzen ist? Last Chance Tourism ist zwar kein neuer Reisetrend, er hat aber in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen. Das Besuchen von Landschaften, die zu verschwinden drohen, steht bei vielen Menschen auf der Bucketlist. Was viele Tourist:innen aber nicht wissen: wie sie diese Orte verantwortungsvoll bereisen können. Denn auch das ist Last Chance Tourism: ein heikles Gleichgewicht zwischen Tourismus und Erhaltung.
Das Great Barrier Reef in Australien ist ein typisches Reiseziel für einen Ort des Last Chance Tourism: Das Riff noch einmal sehen, bevor es ganz verschwunden ist – das ist das Ziel vieler Tourist:innen, die dorthin reisen. Ein weiteres Beispiel: Die Gletscher in Nationalparks wie in Montana oder auch auf Island. Einmal noch dorthin reisen, bevor sie ganz geschmolzen sind. Schließlich ist es die letzte Chance, um sie noch einmal in ihrer vollen Eispracht zu sehen.
Auch die Malediven sind davon betroffen: Der Inselstaat, der für seine malerischen Atolle und sein vielfältiges Leben unter Wasser berühmt ist, ist durch den steigenden Meeresspiegel existenziell bedroht. Mit einer durchschnittlichen Höhe von nur einem Meter über dem Meeresspiegel droht das gesamte Land überflutet zu werden, was es zu einem der durch den Klimawandel am stärksten gefährdeten Länder der Welt macht.
Was ist Last Chance Tourism?
Dieser Reisetrend beschreibt einen Tourismus, bei dem man sich schnell verändernde oder verschwindende Gebiete bereist. In der Regel handelt es sich dabei um eine ökologische Bedrohung, d. h. diese Reiseziele befinden sich in Ökosystemen, die aufgrund des Klimawandels oder der Zerstörung von Lebensräumen aus dem Gleichgewicht geraten sind.
Grund für dieses Interesse ist wohl ein psychologisches Phänomen: Hören oder sehen Menschen, dass ein Ort sich für immer verändert oder verschwindet, wird er umso interessanter. Bereits 2010 haben Wissenschaftler:innen die Tatsache, dass Tourist:innen zunehmend die weltweit am stärksten bedrohten Naturräume bereisen, mit dem Begriff Last Chance Tourism beschrieben.
Folgen des Last Chance Tourism
Ein Problem des Last Chance Tourism ist der Massentourismus. Das bereits geschädigte Ökosystem wird wegen des erhöhten touristischen Aufkommens noch mehr belastet.
Der Machu Picchu in Peru ist ein beliebtes Reiseziel und gehört ebenfalls zu den Last-Chance-Orten. Mittlerweile ist die Stätte in den Anden von so vielen Tourist:innen besichtigt worden, dass der Boden aufgrund der zahlreichen Fußstapfen Schaden nimmt und unter Erosion leidet.
Es sind meist die Orte und Landschaften von Interesse, die ohnehin schon fragil sind, und die die Auswirkungen des Tourismus doppelt zu spüren bekommen. Vor allem, wenn Menschen sich deswegen in ein Flugzeug oder Auto setzen, um den Ort von der Bucketlist zu streichen.
Last Chance Tourism: Ist ein verantwortungsvoller Umgang möglich?
Es ist deutlich: Der Last Chance Tourism ist umstritten und bringt Folgen mit sich. Diese können aber auch positiv sein, da lokale Naturschutzorganisationen so an zusätzliche Mittel und eine größere Wertschätzung für diese empfindlichen Orte kommen.
Wenn wir reisen, hinterlassen wir immer einen Fußabdruck. Empfindliche Ökosysteme können dadurch noch mehr geschädigt werden. Was kann man also tun, wenn man dennoch an einen Last-Chance-Sehnsuchtsort reisen möchte?
- Überlege dir, ob es eine Möglichkeit gibt, möglichst emissionsarm an den Ort zu reisen. Fährt ein Zug oder Bus?
- Kannst du dich vor Ort ohne Auto fortbewegen?
- Reisezeit: Muss es wirklich zur Hauptsaison sein oder kannst du auch in der Nebensaison reisen?
- Vor Ort: Welches lokale Unternehmen kannst du unterstützen? Gibt es Unterkünfte, die sich auf umweltfreundliche Maßnahmen spezialisiert haben?
- Respektiere die Umwelt und die lokalen Gemeinschaften. Befolge unsere Tipps für nachhaltiges Reisen.
- Hinterlasse keine (Müll-)Spur und respektiere die Regeln vor Ort.
- Gibt es Aktivitäten von lokalen Gruppen oder Anbieter:innen, bei denen du teilnehmen kannst, um mehr über das fragile Ökosystem vor Ort zu lernen? Zur Inspiration: Wir haben beispielsweise in Island eine nachhaltige Gletscherwanderung unternommen, um mehr über die Schmelze und den von der Klimakrise betroffenen Gletscher zu erfahren.
Last Chance Tourism in eine positive Richtung lenken
Die problematischen Aspekte des Last-Chance-Tourismus zeigen: Der Tourismus muss sich umstellen und nachhaltige Reisepraktiken in Betracht ziehen, die sich auf den Erhalt der Umwelt und das Wohlergehen der Gemeinschaft fokussieren.
Gleichzeitig können wir alle dazu beitragen, um Last Chance Tourism in eine positivere Richtung zu lenken. Schließlich geht es nicht nur darum, viele Länder zu sehen, sondern dafür zu sorgen, dass die Schönheit und Vielfalt der Welt auch für künftige Generationen erhalten bleiben.