In Europa hat die Tourismusbranche die Pandemie hinter sich gelassen. Bereits im ersten Halbjahr 2023 hat die Anzahl der Übernachtungen einen Rekord erreicht. Gleichzeitig erlebt die Tourismusbranche einen Wandel und steckt im ethischen Zwiespalt. Und wir alle stecken da mit drin, denn die Definition von Tourismus ist zu etwas Persönlichem geworden.

Tourist:in, Reisende:r oder doch Flashpacker:in?

Wenn wir in andere Länder reisen, sind wir Tourist:innen. Oder? Irgendwie fühlt sich der Begriff nicht gut an. In unserem Kopf hat sich ein gewisses Klischee eingebrannt, mit dem wir uns nicht (mehr) identifizieren können: Menschen, die sich danebenbenehmen, die das Land und die Kultur nicht respektieren und die mit Socken in den Sandalen, Bauchtasche und Kamera zu den fotowürdigsten Sehenswürdigkeiten reisen. Reisende klingt da doch irgendwie besser. Puh, oder gehöre ich eher zu den Flashpacker:innen (zur Erklärung: das sind die Backpacker:innen mit mehr Reisebudget)?

Auf der Suche nach den verschiedenen Definitionen und Abgrenzungen habe ich viele Fragezeichen im Kopf. Vielleicht ist es Denken in Schubladen, vielleicht ist es aber auch gut, dass es verschiedene Begriffe gibt, mit denen man sich selbst identifiziert? Ist es nicht auch ein Zeichen unserer Zeit, dass wir flexibel damit umgehen? Ich beschließe: Die Entscheidung trifft Jede:r für sich selbst.

Foto: Unsplash/Ross Snedden

Definition von Tourismus

Wie wird aber Tourismus eigentlich definiert und was erscheint uns daran so negativ? Der Begriff des Tourismus schließt alle Menschen mit ein, die sich vorübergehend zu Zielen außerhalb ihrer gewohnten Umgebung zu Freizeit-, Geschäfts- oder anderen Zwecken bewegen. Das Reisen innerhalb Deutschlands und ins Ausland erfreut sich großer Beliebtheit und hat sich damit auch zu einem wohlwollenden Motor für die Weltwirtschaft entwickelt. Dem gegenüber steht der Einfluss des Tourismus auf den Klimawandel, der Verbrauch der oftmals geringen Ressourcen durch Tourist:innen und der fehlende Umgang mit Tonnen von Müll. 

Überfüllte Strände, riesige Hotelanlagen und der fehlende Respekt vor der Natur: Massentourismus prägt noch heute die Medien und Bilder in unserem Kopf. Und damit auch die eigene Einordnung. Wir sind uns alle einig: Das muss sich ändern. Ethischer Tourismus, sanfter Tourismus und Slow Travel: Diese Ausrichtungen von Tourismus lassen es schon eher zu, dass wir uns damit identifizieren.

Slow Travel: bye Hektik und hallo Achtsamkeit!
Wer in ein fremdes Land reist, möchte in kurzer Zeit viel sehen und erleben. Doch es geht auch anders: mit dem Slow Travel-Konzept.

Okay, wir probieren es mal damit: Wir sind nachhaltige Tourist:innen! Ein wenig holprig klingt es aber immer noch.  

Wo geht die Entwicklung im Tourismus hin?

War das letzte Jahr noch bestimmt von der Coronakrise und der damit einhergehenden Unsicherheit bezüglich Reisen, so werden 2023 die Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Innovation im Tourismus lauter. Das Bewusstsein für umweltbewusstes Reisen nimmt immer mehr zu. 

Nachhaltig reisen in Europa - ohne schlechtes Gewissen
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Gleichzeitig entwickeln sich Initiativen wie z. B. Futouris e.V.. Die gemeinnützige Organisation setzt sich mit ihren Mitglieder:innen aus der Reisebranche dafür ein, innovative Modellprojekte weltweit zu entwickeln und daraus übertragbare Maßnahmen abzuleiten. Mit Airbnb haben sie beispielsweise einen Ratgeber zum Energie sparen für Gastgeber:innen entwickelt.

Welt-Tourismus-Tag am 27.09. für grüne Investitionen 

Seit 1980 veranstaltet die UNWTO am 27. September den Welt-Tourismus-Tag. In diesem Jahr steht der Aktionstag ganz unter dem Motto „Green Investments“. Es werden mehr und vor allem besser ausgerichtete Investitionen für die Menschen, den Planeten und den Wohlstand gefordert. Um den Tourismus in eine nachhaltige Richtung zu lenken, werden neue und innovative Investitionen benötigt, nicht nur die traditionellen Investitionen, die das Wirtschaftswachstum und die Produktivität fördern und unterstützen. Wer in nachhaltigen Tourismus investiert, unterstützt den Wandel für eine fairere Zukunft. 

Die UNWTO entwickelt mithilfe von Richtlinien, dem Aufbau von Netzwerken und Best-Practice-Beispielen die 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung im Tourismus entlang der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Tourismus mit allen vor- und nachgelagerten Branchen kann damit die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele positiv unterstützen und die Richtung der Branche mitbestimmen. 

Jetzt wird’s persönlich!

Und auch wir bestimmen die Richtung mit. Mit jeder Reise, die wir planen, buchen und erleben. Ob als Tourist:innen, Flashpacker:innen, digitale Nomad:innen oder Reisende. Wer weiß? Vielleicht schreiben wir alle gemeinsam die Definition von Tourismus um. In unseren Köpfen haben wir das wahrscheinlich längst schon.